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Sie kamen als Kollegen, sie gehen als Freunde

cuba italiaWir sind an einem Platz angekommen, der sehr nahe am Zentrum, der Altstadt Turins liegt, auch wenn man in Italien diesen Begriff nicht für Gemäuer benutzt, die kaum 200 Jahre alt sind. Der Platz, auf dem sich der Sitz des Bürgermeisters befindet, ist abgesperrt. Aber das schöne Gebäude hat eine besondere Geschichte. Im XIX. Jahrhundert war Turin das Zentrum, das die italienische Einheit vorantrieb, es wurde Hauptstadt Italiens, zuerst eines Königreichs und später der Republik. Hier war die Wiege des Liberalismus und des Sozialismus.

Kurze Zeit später gingen wir zum Plenarsaal des Rathauses, dem Roten Saal, dem Sitz des ersten Parlaments (1860-18659 der italienischen Republik. Hinter dem Vorsitzenden Francesco Sicari und der Bürgermeisterin Chiara Appendino betreten zwei Wachen in Galauniform den Saal. Aber das Publikum ist heute ein anderes: Mit dem entsprechenden durch die Pandemie bedingten Abstand sitzen dort Leute in weißen Kitteln. Auf der Brust tragen sie ein kleines Abzeichen, auf dem sich die Flaggen Kubas und Italiens kreuzen. Auf einem pompösen Sitz mit Blick auf das Präsidium befindet sich ein einfacher Mann: Julio, der Leiter der Brigade der kubanischen Ärzte. Zu beiden Seiten der Bürgermeisterin sieht man auf der einen die Leitung des Hospitals COVID OGR und auf der anderen den Botschafter Kubas in Italien José Carlos Rodríguez und den Vorsitzenden der Agentur für Wirtschaftlichen und Kulturellen Austausch zwischen Kuba und Italien (AICEC) Michele Curti, der jetzt als Dolmetscher fungieren wird.

Heute wird dem einfachen Mann auf dem pompösen Stuhl „für die Verdienste, den Mut, den Altruismus, den unter Beweis gestellten Humanismus und wegen der Erfüllung der wichtigen Verpflichtung gegenüber der Bevölkerung Turins und ganz Italiens“, offiziell die Ehrenbürgerschaft Turins verliehen. Ich möchte dabei auf ein Datum hinweisen, das mir unter so viel angesammelter Geschichte parahistorisch erscheint. Im Jahr 2012 hatte dieser gleiche Stadtrat von Turin – es waren andere Zeiten und andere Leute hatten diese Ämter inne – vorgeschlagen, diesen Status einer Söldner- Bloggerin zu gewähren. Curto, in seiner Funktion als Stadtrat, verhinderte, dass es dazu kam. Jetzt wird den Ärzten in der Person des Leiters der Brigade diese Ehre zuteil. Man hört die Nationalhymnen Kubas und Italiens und darauf folgen die Reden. Der Der Stadtratsvorsitzende sagt: Obwohl man genau weiß, was man sagen möchte, ist es manchmal schwierig einen Anfang zu finden, das genaue Wort zu treffen, aber nicht in diesem Fall. Denn es gibt ein ähnliches Wort in allen Sprachen: Danke“.

Die Bürgermeisterin ruft unsere Ankunft auf dem Flughafen in Turin in Erinnerung und wie man in den Augen derer, die ihre Ankunft erwarteten, Gefühle der Hoffnung erkennen konnte. „Es ist nicht der Sieg über das Virus, den wir feiern, es ist der Sieg der Werte, die diejenigen repräsentieren, die von der anderen Seite des Ozeans kamen, die der Solidarität und des Großmuts“. Unser Botschafter, ganz bewegt, zitiert den Satz Martís: „Das Vaterland ist die Menschheit“. Die Zeugen des Geschehens sprechen. „Es kam zu einer nicht gefährlichen Ansteckung des Wissens und des Humanismus“, sagt Alessandra Martini. Sie greift das Bild eines Schiffes auf, das inmitten der Pandemie navigiert und auf dem seine Besatzung, die kubanischen und die italienischen Ärzte, Leben retten und schließt mit dem Satz: „Sie kamen als Kollegen und sie gehen als Freunde“.

Dann nimmt der Mann auf dem Stuhl das Pergament entgegen und geht auf die Worte des Lobes ein: „ Eines der ersten Gesichter, die wir sahen, als wir die Treppen des Flugzeugs hinunterstiegen, war das der Bürgermeisterin von Turin Chiara Appendino und wir konnten in ihrem Ausdruck hinter der Schutzmaske die Dankbarkeit für etwas erkennen, was wir noch nicht begonnen hatten“. Die Übereinstimmung zwischen den Worten Julios und ihrer eigenen gehen der Bürgermeisterin nahe und sie trocknet unauffällig ihre Tränen. Und Julio fährt fort: „Wir kommen aus einem schönen Land, das Kuba heißt, unsere Heimat, auf die wir sehr stolz sind. Eine kleine Insel, von den Gewässern des Karibischen Meeres umspült, mit einer Geschichte des Kampfes, die, überzeugt von der Zukunft, die sie für sich möchte, über 60 Jahre einer ungerechten, von den Regierungen der Vereinigten Staaten aufgezwungenen Blockade widerstanden hat“. Zum Abschluss sagt er: „Ich bin stolz auf dieser Veranstaltung eine Gruppe von Kubanern, Ärzten und Pflegern mit großem Fachwissen und humanistischer Berufung vertreten zu dürfen, das sie auf unterschiedlichen Szenarien der Welt unter Beweis gestellt haben (…). Diese Auszeichnung wird der Brigade Henry Reeve über meine Person verliehen. Sie ist Symbol für die tiefe Freundschaft, die in diesen tragischen und trotzdem auch schönen Tagen zwischen Italien und Kuba, zwischen Piemont und Kuba, zwischen Turin und Kuba besiegelt wurde. Auch er endet mit einem Satz von Martí: „Für die Schmeichelei immer Ausländer, für die Gefahr immer Bürger“. Die feierliche Veranstaltung ist beendet.

Wir gingen hinaus auf den Platz, wo wir als erste ankamen. Die Bürgermeisterin ließ sich mit der Brigade fotografieren, und die Brigadisten machten danach ihre Fotos jeder auf seine Art. Dies ist der letzte Tag. Heute werden wir in Quarantäne gehen. Die letzte Woche war voller großer Emotionen. Heute lassen wir unsere Zimmer zurück, in denen wir während der drei Monate geschlafen haben und werden zu einem abgelegeneren Ort gebracht. Der Countdown für unsere Abreise nach Kuba beginnt. Kuba, wir lieben dich.

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