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Anklage in Baltimore: “Ein moralischer Sieg”

Baltimore policeDie Menschen in Baltimore feiern die Anklageerhebung gegen sechs Polizisten, die für den Tod eines Schwarzen verantwortlich gemacht werden, als Etappensieg. Doch viele bleiben auch misstrauisch. Gero Schließ berichtet.

“Baltimore, Our Baltimore”: Als die Menschen einen Tag nach den nächtlichen Ausschreitungen bei einem Solidaritätskonzert des Baltimore Symphony Orchestra die Hymne ihrer Stadt anstimmten, klang das irgendwie trotzig und unwirklich.

Drei Tage später ist die Welt in Baltimore scheinbar genauso fröhlich und wohlgestimmt, wie sie in der Hymne besungen wird. Die Autofahrer veranstalten Hupkonzerte, die Menschen tanzen und singen auf der Straße. Die Polizeihubschrauber, die über ihnen kreisen, wirken plötzlich nicht mehr bedrohlich.

“Das ist ein moralischer Sieg”, sagt Edward Watson, nachdem Staatsanwältin Marilyn Mosby bekanntgegeben hatte, dass sie die sechs Polizisten anklagt, die sie für den Tod von Freddie Gray verantwortlich hält. Der Taxifahrer sagt, es sei das erste Mal in der Stadt, dass die Strafverfolgungsbehörden Polizisten für den Mord an einem Schwarzen anklagen. Er selbst hat vor Jahren mit eigenen Augen gesehen, dass Polizeibeamte einen jungen Schwarzen in einer Fußgängerzone niederschossen . Viele Zeugen seien damals dabei gewesen. Doch damals wurde kein Verfahren eröffnet.

Diesmal war er nicht wirklich überrascht von der Anklageerhebung. Wahrscheinlich sei das die beste Sache seit langem für Baltimore. “Die Stadt ist jetzt in einer ganz anderen Stimmung”, stellt er zufrieden fest.

Und wirklich, wie verwandelt wirkt die Stadt. Man blickt in fröhliche, lächelnde Gesichter. In Problemvierteln wie West-Baltimore drängt es alle aus den schmalen, dunklen Häusern hinaus auf die Straße. Und die von Gouverneur Larry Hogan nach Baltimore beorderten Nationalgardisten sind plötzlich keine ungeliebten Fremdkörper mehr.
Sie gehörten dazu, sagt eine junge Afro-Amerikanerin, die sich für ein Selfie neben eine junge Nationalgardistin stellt. “Mit ihnen fühle ich mich jetzt sicherer”, sagt sie zur Begründung.
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Für die meisten Menschen hier ist die junge Staatsanwältin Marilyn Mosby die Frau der Stunde. Mossieka Holness (Artibelbild ganz oben) feiert sie wie eine Heldin. “Baltimore liebt Marilyn Mosby”, steht auf dem Plakat, das sie hochhält. Ihr allein habe man zu verdanken, sagt sie, dass es nun endlich etwas gerechter zugeht. Sie sei eine mutige Frau und solle die nächste Bürgermeisterin von Baltimore werden.
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Unter die Menschen hat sich auch Nick Mosby gemischt, der Ehemann der Staatsanwältin. Im taubenblauen Anzug gibt er sich ganz staatsmännisch. Er sei stolz auf seine Frau, sagt er auf Nachfrage. Er kenne sie schließlich seit 18 Jahren, sie sei die Richtige für diesen Job. Ob sie als Generalstaatsanwältin von ihren Kollegen und Mitarbeitern aus der Justizverwaltung unterstützt werde, lässt er offen. Man spürt, es könnte auch ein einsamer Kampf für sie werden. Erst seit vier Monaten ist sie im Amt. Doch unter Druck werde sie erst richtig gut, sagt Nick Mosby.

(DW-TV)

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